Das Lehener Stadion diente Austria Salzburg 31 Jahre lang als Heimstätte. Inmitten der Mietskasernen des Arbeiterviertels Lehen gelegen, war es ein Symbol der besonderen Beziehung des »kleinen Mannes« zum Fußballsport. Ein Nachruf auf die ungleichförmige Stadionarchitektur und einen Herren namens Srecko Kurbaša.
Mitte der 80er Jahre war Austria Salzburg so gut wie am Ende. Zum sportlichen Elend der 2. Division gesellte sich ein Schuldenberg, der den Klub an den Rand der Existenz zu bringen vermochte. 1988 verschärfte sich die Situation so weit, dass es zwischen den Optionen Aufstieg oder Vereinsauflösung keine Alternativen zu geben schien. Der anstehenden Katastrophe zum Trotz fingen sich die dahinsiechenden Violetten und spielten um den Sprung in das damalige »Aufstiegs-Playoff« mit. Zwei Runden vor Schluss des Grunddurchgangs fehlten exakt zwei Siege. Präsident Quehenberger setzte alles auf eine Karte und verpflichtete für diesen Zweck den ergrauten Hans Krankl.
Nach einem ersten Sieg sollte es am 2. Dezember 1988 am Schlammfeld des im Regen versinkenden Lehener Stadions gegen den SV Spittal um Aufstieg oder Ende gehen. Vor 9.000 Zusehern egalisierte Krankl den Kärntner Führungstreffer. Nach unzähligen erfolglosen Angriffen war der Name Austria Salzburg praktisch schon Vergangenheit, ehe in der Nachspielzeit die große Stunde im Leben des Srecko Kurbaša schlagen sollte: eine mäßige, an Freund und Feind vorbeigehende, Ecke landete am Fuß des Jugoslawen, der das Leder aus drei Meter Entfernung versenkte und zum König wurde. Menschenmassen stürmten das Spielfeld und lagen sich, knöcheltief im Schlamm steckend, in den Armen. Kurbaša rettete den Klub, dem daraufhin die Rückkehr ins Oberhaus gelang. Ohne sein Tor im Sumpfboden von Lehen wäre die Austria längst schon Geschichte. Wenn nicht gerade der schönste, so war Kurbašas Treffer zumindest der wichtigste in der 31-jährigen Geschichte des Lehener Stadions.
31 Jahre der Unförmigkeit
Angefangen hat alles in den 60er Jahren mit den ersten ernsthaften Diskussionen um eine neue Heimstätte für die Austria. Der alte Sportplatz in Lehen platzte aus allen Nähten, und so entstand 1966 der erste Vorentwurf für ein neues Stadion. Nur drei Jahre später drohten die Pläne aufgrund von Finanzierungsschwierigkeiten schon wieder in die Schubladen der Stadtverwaltung zu wandern. Um das Projekt trotzdem realisieren zu können, setzten die Bauherren den Sparstift bei den Stehplatztribünen hinter den Toren an. Wenngleich das architektonische Ergebnis mit den beiden Miniaturtribünen etwas unförmig daherkam, hatte Salzburg nun endlich ein zeitgemäßes Fußballstadion.
Nach zwei Jahren »Exil« im Stadtteil Gnigl kehrte die Austria im September 1971 nach Lehen zurück. Eingeweiht wurde das damals modernste Stadion Österreichs mit unzähligen Schlägereien zwischen den Akteuren im Eröffnungsspiel gegen eine tunesische Auswahl, das die Austria vor 12.000 Besuchern mit 3:2 für sich entschied. 1974 erhielt die ungleiche Arena eine Flutlichtanlage, die mit der Niederlage gegen Austria Wien die erste der unzähligen Niederlagen Austria Salzburgs in einem Cupfinale beleuchten durfte. Erfreulichere Spiele sollten folgen, von denen vor allem das 2:1 im Europacup gegen Roter Stern Belgrad (1976) und Österreichs legendäres 9:0 in der WM-Qualifikation gegen Malta (1977) herauszuragen vermochten. In letzterem erzielte jener Hans Krankl, der am besagten 2. Dezember 1988 ein letztes Mal als Fußballer für Furore sorgen sollte, sagenhafte sechs Treffer.
Den Glanzzeiten folgte die Tristesse. Während der 80er erinnerte der Lautpegel in Lehen eher an den angrenzenden Park als an ein Fußballstadion. In den schlimmsten Zeiten im »Abstiegs-Playoff« verirrte sich oft nur eine Hundertschaft Unerschütterlicher ins Lehener Stadion. Obwohl auch der SAK in dieser Zeit für eine Saison in der Eliteliga mitmischte, behielt die Austria trotz aller sportlichen Misere stets die Vormachtstellung in den Herzen der Salzburger Fußballfans. Dank Kurbašas unvergessenem Tor und Krankls Höhenflügen gelang dann 1989 der ersehnte Wiederaufstieg.
Schattenseiten des Erfolgs
Prompte Erfolge in der obersten Spielklasse folgten, womit seit längerem wieder die Option auf internationalen Fußball bestand. Dies und wirtschaftliche Überlegungen veranlassten die Vereinsführung, trotz heftigster Proteste von Seiten der Fans die Stehplatztribüne 1992 mit teuren Sitzplätzen zu versehen. Unter dem überdimensionalen Bogendach durfte fortan nur mehr (Sitz-)Platz genommen werden, womit auch der gemeinsame Fansektor über Nacht ein Ende fand. Anfangs zerstreute sich die Unterstützung auf einen Block im oberen Sitzplatzbereich und die schmale Stehplatzgerade unter den Sitzplätzen. Später wanderte ein Teil des Supports in Richtung Hintertor-Stehplatz ab. Alles in allem hatte die rigorose Sitzplatzpolitik des Vereins ein Schwinden der einst legendären Lehener Stadionatmosphäre zur Folge. Erst in den letzten Jahren fanden sich alle relevanten Fangruppen wieder in einem gemeinsamen Sektor am Rand der Haupttribüne ein.
Den nationalen folgten bald auch internationale Erfolge, was sich beschleunigend auf das Ende des Lehener Stadions auswirkte. Vor allem die Serie im UEFA-Cup und der damit verbundene Umzug nach Wien ließen den Ruf nach einem neuen Ground laut werden. Mitte der 90er wurden die ersten Pläne für einen Ausbau des Lehener Stadions bekannt, die nach einer Vergrößerung der Miniaturtribünen hinter den Toren ein variables Steh- und Sitzplatzvariante vorsahen, die bei internationalen Spielen 14.000 Sitzplätze umfasst hätte. Das neue Stadion in Kleßheim verfügt im Vergleich gerade einmal über 18.000 Sitzplätze, war dafür aber rund fünfmal so teuer wie der Ausbau von Lehen gewesen wäre.
Steriler Beton statt Efeu
Sein endgültiges Verfallsdatum erreichte das Lehener Stadion spätestens mit der österreichischen Bewerbung für die Euro 2008. Mit dem Baubeginn in Kleßheim rückte Lehens letzte Stunde immer näher. Als dann die Violetten zum Abschiedsfest gegen Ried luden, kamen über 12.000, um noch einmal Fußball in seiner authentischen Lehener Umgebung von Wettbüros und Imbissbuden zu inhalieren. Die alte Stehplatztribüne wurde zur Gänze in ein Transparent mit dem Schriftzug »Lehen bleibt in unseren Herzen« gehüllt. Das abschließende Legendenspiel, bei dem sowohl Kurbaša als auch Krankl zum Einsatz kamen, endete mit 4:4 - dem gleichen Ergebnis, mit dem 1933 auch das allererste Meisterschaftsspiel der Austria am alten Lehener Sportplatz über die Bühne gegangen war.
Nach der Partie gegen Sturm am 4. Dezember 2002 gingen in Lehen endgültig die Lichter aus. Insgesamt 31 Jahre diente das Stadion im Arbeiterbezirk der heuer 70 werdenden Austria als Heimstätte. Es überlebte vier Präsidenten und 22 Trainer. Die mit Efeu bewachsenen Tribünen des Lehener Stadions mussten dem sterilen Beton von Kleßheim weichen und werden in nächster Zukunft zur Gänze dem Erdboden gleichgemacht. Einzig die Rasenfläche zwischen den Mietskasernen soll an ein großes Stück Salzburger Fußballgeschichte erinnern.