Hätte es ihn nicht gegeben, man hätte ihn glatt erfinden müssen. Ihm zuzusehen war ein Genuss. Geschmeidig wie eine Gazelle umtanzte er seine Gegenspieler, schlug Traumpässe, erzielte herrliche Tore, die Prachtexemplare raffinierter Überlegungen darstellten und glänzte mit Flanken, die als beste Fußballshow gewertet werden durften. Er war robust, technisch versiert, intuitiv, sehr gelassen, schussstark. Alles, was er mit der Lederkugel tat, war spezial. Von daher kommt auch sein Spitzname Spezi. Wer ihn je zaubern sah, kann ihn nicht mehr vergessen. Sein Spiel war einfach königlich, deshalb wurde er noch zu Lebzeiten ideell auf einen Thron gehoben zum ersten Fußballkönig der Weit: Alfred Schaffer.
Ob er nun ein echter Donauschwabe war oder nicht - darüber lässt sich trefflich streiten. Doch was für den Handballer Roland Gunnesch zutrifft, gilt auch für Schaffer. Der Siebenbürger Sachse Gunnesch verbrachte sein halbes Leben bei den Donauschwaben. Ähnlich verhielt es sich mit Alfred Schaffer. Als kleines Kind kam er mit seinen Eltern nach Budapest. Hier tat er seine ersten fußballerischen Schritte. Hier wurde er berühmt. Von hier aus zog er in die große, weite Fußballwelt und eroberte sie. Hierher kehrte er stets zurück, egal wie viele Erfolge er woanders auch hatte oder wie gut es ihm dort ging. Wie der Name des Handballers Gunnesch mit der Banater Hauptstadt Temeswar ist jener des Fußballers Schaffer mit der ungarischen Hauptstadt eng verbunden. Dies ging so weit, dass auf seinem Sarg sogar Budapest als Geburtsort angegeben wurde. Was natürlich falsch war!
Denn geboren wurde Alfred Schaffer am 13. Februar 1893 in Pressburg in der Slowakei. "Damals gehörte die Stadt zu Österreich-Ungarn und Übersiedlungen aus einem Teil der Monarchie in den anderen waren gang und gäbe", klärt einer der bekanntesten ungarischen Fußballexperten Károly 0roszhegyi auf. So war es auch bei Familie Schaffer. Nicht lange Zeit nach der Geburt von Alfred zog sie nach Budapest. Und wie so mancher berühmte Fußballer begann auch der kleine Alfred auf der Straße dem Fetzenball nachzujagen. Das Talent bekam er in die Wiege gelegt, so dass schon bald die ersten Vereine auf ihn aufmerksam wurden. Als Achtjähriger landete er bei seinem allerersten Klub SC Typographia Budapest.
Dann ging´s Schlag auf Schlag weiter. Schaffer wechselte die Vereine schon als Knirps wie andere Leute ihre Hemden. Daran sollte sich auch als Erwachsener nichts ändern. Von Typographia zog´s ihn zunächst zu Lipotvárosi TE Budapest, dann zu Ferencváros Budapest, BTK KAOE Budapest, Fövárosi TC und schließlich wieder zu Ferencváros. Im Alter von 18 Jahren landete er bei Tatabanya - und machte erstmals von sich reden. Er verlor mit seinem Verein zwar ein Meisterschaftsfinale gegen Ferencváros mit 3:4. Doch alle drei Tore des Verlierers hatte Schaffer erzielt - mit einem Hattrick (drei Tore in Folge durch ein- und denselben Spieler in einer Halbzeit). Es sollten noch viele folgen. Kein Wunder bei diesem Ballgefühl! Spezi eignete es sich durch eine andere Sportart an. Täglich spielte er zwischen drei und vier Stunden Billard genauso wie ein anderer berühmter donauschwäbischer Fußballer Josef Petschovszky aus dem rumänischen Arad.
Die Zwischenbilanz des jungen Wandervogels Schaffer hatte es in sich: In zehn Jahren hatte er bereits für sieben (!) Vereine gespielt. Der nächste war BAK (1912 bis 1913). Dann legte sich sein Wechselfieber für ein paar Jährchen. Beim ungarischen Traditionsverein MTK Budapest hielt Schaffer es immerhin fünf Jahre aus - von 1914 bis 1919. Vielleicht auch deshalb, weil in diese Zeitspanne unter dem berühmten Manager J. Hogan seine ersten Erfolge fielen. Die machen bekanntlich süchtig - und vorübergehend sesshaft. Mit MTK wurde Schaffer in einem Jahr gleich zweimal Meister. 1915 schoss er den Klub mit 17 Toren zur Frühjahrs- und etwas später mit 19 Treffern zur Herbstmeisterschaft. Des Rätsels Lösung: Damals wurden in einem Jahr noch zwei Titelkämpfe ausgetragen. Doch es sollten nicht seine einzigen Erfolge bei MTK bleiben. Denn mit den Budapestern wurde er noch dreimal ungarischer Meister (1917, 1918, 1919) sowie zweimal Torschützenkönig: 1918 mit 46 Treffern und 1919 mit 26. Von Erfolg gekrönt war natürlich auch Schaffers Karriere im Trikot der ungarischen Nationalmannschaft. Wie hätte es auch anders sein können! Dort debütierte er am 7. November 1915 in Budapest gegen Österreich. Zum 6:2-Sieg der Ungarn steuerte Spezi gleich drei Tore bei. Er bestritt 15 Länderspiele in Folge, in denen er 17 Treffer markierte. Somit schoss er für die Nationalmannschaft mehr Tore, als er Spiele absolvierte. Das gelang in Ungarn nur noch zwei Spielern: Ferenc Déak (20 Länderspiele mit 27 Toren) und dem berühmten Sándor Kocsis (68 Länderspiele mit 75 Toren). Sein letztes Auswahlspiel bestritt Schaffer am 6. April 1919 beim 2:1-Sieg von Ungarn gegen Österreich ebenfalls in Budapest, ohne dass ihm jedoch ein Tor gelang. Von seinen 15 Länderspielen waren allein 14 gegen Österreich und nur eines gegen die Schweiz. Das ist nicht verwunderlich, denn Ungarn und Österreich trugen die meisten Länderspiele gegeneinander in der Welt aus. Was vor allem einen geschichtlichen Hintergrund hat, waren beide Länder ja sehr lange Zeit eng miteinander verbunden. Ebenso toll wie seine Torausbeute in der ungarischen Auswahl war sie auch in der ungarischen Meisterschaft. Dort brachte er es in 84 Punktspielen auf 159 Tore - eine auch für heutige Verhältnisse sensationelle Trefferquote!
Im Alter von 26 Jahren zog´s ihn zum ersten Mal ins Ausland. Doch nicht wegen eines lukrativen Angebotes, sondern aus einem ganz anderen Grund. Es gibt zwar keine Beweise dafür, aber vieles deutet darauf hin. Schaffer war nämlich ein großer Sympathisant von Bela Kun. Der im siebenbürgischen Lele (heute Cehul Silvaniei) am 20. 2. 1886 geborene Politiker und Journalist organisierte die ungarische kommunistische Partei und war entscheidend an der Installierung der Räterepublik in Ungarn vom 21. März bis 1. August 1919 beteiligt, in deren Regierung er das Volkskommissariat des Äußeren innehatte. Nach dem Zusammenbruch der Räterepublik floh Kun nach Österreich und von dort weiter in die UdSSR, wo er ab 1920 für die Komintern arbeitete. Im Rahmen der Säuberungen unter Stalin wurde Kun 1937 verhaftet und laut einigen Quellen am 29. 8. 1938, laut anderen am 30. 11. 1939 in Moskau hingerichtet. 1956 erfolgte posthum seine Rehabilitierung. Als Bewunderer der Ideen von Kun und nach Zerschlagung der roten Räterepublik befürchtete Schaffer mit Sicherheit auch negative Folgen für ihn. Deshalb setzte er sich kurze Zeit später ins Ausland ab. Als MTK im Sommer 1919 nämlich eine Tournee durch Deutschland unternahm, blieb Schaffer zusammen mit seinem Mannschaftskollegen Peter Szabo dort. Beide wollten zum 1. FC Nürnberg wechseln, doch das Angebot des FC Basel war verlockender für Spezi. Und so zog´s ihn in die Schweiz. Aber nur ein Jahr später landete er dann doch noch in Nürnberg beim 1. FC. Der beherrschte damals das deutsche Fußballgeschehen nach Belieben und war auch bei den Zuschauern sehr populär. Es gibt zwar viele Klubs, aber nur einen Club - so wurde Nürnberg schon damals genannt. Und dabei blieb es bis in unsere Zeit. Ein (im Fußball fast alltäglich gebrauchtes) Wort als Vereinsnamen - eine größere Wertschätzung durch die Fans kann es wirklich nicht geben. Bei den Franken hielt es Schaffer nicht mal eine Saison aus und wechselte dann zu Wacker München (1921 bis 1922). Mit den Bajuwaren wurde er Süddeutscher Meister. Anschließend spielte er 1922 für Sparta Prag, doch nicht lange. Dann kehrte er wieder zu MTK Budapest zurück, bestritt aber von 1922 bis 1923 keine Meisterschaftsspiele mehr für die Hauptstädter, sondern nur Freundschaftsbegegnungen.
Seine ersten Sporen als Coach verdiente er sich beim Wiener Amateur-Sportverein, wo er von 1923 bis 1924 als Spielertrainer aktiv war. Vienna Wien hatte sich zuerst um ihn beworben, aber die Amateure boten mehr Geld. Das gab letztendlich den Ausschlag. Bei den Amateuren konnte er seinen zahlreichen Erfolgen zwei weitere hinzufügen - die österreichische Meisterschaft sowie den österreichischen Pokal im selben Jahr 1924. So etwas heißt in der Fachsprache Double. Dass es gewonnen wurde, lag nicht nur allein an Schaffer, sondern auch an einem weiteren Landsmann von ihm - Kalman Konrad. Der hatte Budapest gemeinsam mit seinem Bruder Jenö verlassen und war bei den Amateuren in Wien gelandet. Er galt als einer der besten Mittelstürmer seiner Zeit und der Sturm Schaffer/Konrad wurde zum Schreckgespenst der gegnerischen Verteidiger. Das Angriffsduo galt als Paradestück des österreichischen Fußballs schlechthin. Von diesen beiden Lehrmeistern sollte einer am meisten profitieren, der später legendären Ruf in der Welt des Fußballs erlangte - der große Matthias Sindelar. Weil ihre Vereinsfarbe violett war, wurden die Amateure auch die Veilchen genannt. Angesichts der finanziellen Entwicklung empfand man die Bezeichnung Amateure als unpassend, wozu Schaffer entscheidend beitrug - nicht nur mit seinem für damalige Zeiten enormen Einkommen, sondern auch weil er mit aller Macht die Einführung des Professionalismus im Fußball vorantrieb. So wurde der Klub am 28. November 1926 in FK Austria Wien umbenannt, den späteren österreichischen Renommierklub. Unverändert beibehalten wurde der Spitzname Veilchen. Er blieb es bis auf den heutigen Tag.
In der Vereinschronik der Amateure heißt es: Im zweiten Jahrzehnt unseres Jahrhunderts sorgte die Mannschaft mit ihrem neuen Starspieler aus Ungarn Alfred Schaffer für eine wahre Revolution im österreichischen Fußball. War es bis dahin Kampf und Einsatz, ganz nach englischem Vorbild, der den Sieg brachte, so gewannen die Amateure ihre Spiele ab dann mit glänzender Technik. Dieses „Scheiberlspiel“ mit einfallsreichen Kurzpasses und Balltricks begeisterte mit der Zeit nicht nur die Wiener, sondern setzte sich als legendäre "Wiener Schule" auch international durch. Allerdings übertrieben es unsere Veilchen des öfteren, was ihnen den Ruf einbrachte, zu wenig auf den Endzweck zu drängen und lieber in Schönheit zu sterben. Trotzdem kann sich die Bilanz der Amateure wahrlich sehen lassen." Auch oder vor allem dank Schaffer! Von Wien flatterte der Wandervogel wieder zu Sparta Prag, ließ in der österreichischen Hauptstadt ein Krawattengeschäft sowie einen Sportladen zurück - und ein wehmütiges "Adieu" in der Presse. "Ein langsamer Schritt Schaffers war oft mehr wert als ein Dutzend Sturmläufe unserer Immerfestedruffs", schrieben die Journalisten. Bei den Tschechen fungierte er von 1925 bis 1926 als Spielertrainer und verbuchte hier einen weiteren Erfolg: Gewinn der Meisterschaft 1926.
Ab diesem Zeitpunkt ist er meist nur noch als Trainer tätig. Und wie schon als Spieler wechselte er die Vereine munter weiter. An keinem Platz hielt er es lange aus. Von 1926 bis 1927 trainierte er den DSV München, kehrte dann von 1927 bis 1928 zu Wacker München zurück. Anschließend gab er ein kurzes Gastspiel bei Austria Wien. Dorthin wollte er sich schon 1926 aus der tschechischen Hauptstadt transferieren, aber ein inzwischen geschaffenes Inländer-Schutzgesetz verhinderte zunächst den Wechsel. Dann klappte es 1929 schließlich doch noch mit der Austria. Seine weiteren Stationen waren der BSV 1892 Berlin (1929 bis 1930), Wacker München (1930 bis 1932), Eintracht Frankfurt (1932 bis 1933), 1. FC Nürnberg (1933 bis 1935) und FC Hungaria (1935 bis 1937). Bei diesem Verein handelte es sich um seinen früheren Stammverein MTK. Schaffer gewann 1935 und 1936 mit ihm das ungarische Championat. Es folgte ein kurzes Intermezzo als Assistenztrainer der ungarischen Nationalmannschaft. Und es schien, als hätte Schaffer den Erfolg gepachtet. Der begleitete ihn nicht nur als Spieler, sondern auch als Coach auf Schritt und Tritt. Ungarn wurde 1938 in Frankreich Vize-Weltmeister, verlor das Endspiel in der Hauptstadt Paris gegen Italien mit 2:4. Schaffer kehrte der Nationalelf den Rücken, wurde wieder Vereinstrainer und heimste mit Rapid Bukarest 1939 und 1940 zwei Gewinne des Rumänienpokals ein. Dann schlug er seine Trainerzelte beim AS Rom (1940 bis 1942) auf, gewann dort in seinem letzten Jahr die italienische Meisterschaft. Anschließend kehrte er wieder nach Budapest zurück (1943 bis 1944), holte mit Ferencváros zweimal den ungarischen Pokal und wechselte dann zum FC Bayern München (1944 bis 1945), mit dem er Bayernmeister wurde.
Aber Alfred Schaffer war nicht nur auf dem Fußballfeld ein König, sondern auch bei seinen Forderungen. Die waren stets gewaltig. Er wusste, was er kann. Und dieses Können ließ er sich königlich bezahlen. Er gehörte zu den wenigen, die sich in Europa gegen Geld verkauften. Somit gilt er als einer der ersten Profis der Welt. So betrug die Ablöse bei seinem Wechsel 1923 zum Wiener Amateur-Sportverein 25 Millionen Kronen, Schaffers Monatsgehalt stolze fünf Millionen. Wobei er ein Jahr später schon zehn Millionen Kronen im Monat verdiente. Natürlich wurde er deswegen auch kritisiert. "Der Schaffer spielt für jede Währung", hieß es nicht selten. Doch er leistete auch etwas dafür. Denn wer ihn holte, kaufte den Erfolg gleich mit. Fürs Geld tat Spezi fast alles. Oft kam es vor, dass er während eines Spieles zur Tribüne lief und rasch eine Wette abschloss. "Ich wette, dass ich jetzt das Siegtor schießen werde. Wer setzt dagegen?" Diejenigen, die sich auf die Wette einließen, verloren meist. Denn angesagte Tore wurden zu einer Spezialität des blonden Mittelstürmers. Manchmal begnügte er sich auch mit weniger Geld. Doch das passierte nur ganz selten. So geschehen 1929. Austria Wien wollte ihn als Trainer. Schaffer schickte ein Telegramm an den Vorstand mit folgendem Text: "Komme mit 1.000 Freuden - stopp - Monatsgage 2.000 Schilling". Am nächsten Tag kabelte Austria ihm zurück: "Komme mit 2.000 Freuden - stopp - Monatsgage 1.000 Schilling". Und Schaffer kam tatsächlich. Damals betrug übrigens die durchschnittliche Monatsgage österreichischer Spieler etwa 300 Schilling. Doch mit seinen 36 Jahren konnte auch ein Fußball-Genie wie Spezi keine Bäume mehr ausreißen und er gab nur noch ein kurzes Gastspiel bei der Austria.
Alfred Schaffer war sowohl als Spieler als auch Privatmensch ein Bruder Leichtfuß, der das Leben in vollen Zügen genoss. Schoß er gerade mal keine Tore, residierte der gefeierte Fußballkönig vorwiegend im Kaffeehaus und produzierte sich dort gern als Alleinunterhalter, ohne natürlich auf das gute Essen und Trinken zu verzichten. In der Gestalt eines Boxchampions trug er das Gehaben eines Großbürgers zur Schau und erteilte "Audienzen" im Budapester Cafe "Kristall". Klar, dass er natürlich auch ein Frauenheld war. Denn Treue zeichnete ihn weder als Fußballer noch als Mann aus. Er trennte immer strikt das Geld von den Gefühlen. Deshalb war es nur logisch, dass er bei diesem Lebenswandel nicht heiratete. Und Kinder hatte er auch keine. Etwas war ganz wichtig in seiner aktiven Laufbahn. Egal wo er auch spielte, überall musste er sich wohlfühlen. War dies nicht mehr der Fall, packte er seinen Koffer ganz schnell und verließ den Verein. Das geschah natürlich auch, wenn er nicht mehr das von ihm geforderte Geld bekam. Dann ging er auf der Stelle und ohne auch nur mit der Wimper zu zucken - manchmal auch wenn er erst seit kurzer Zeit dort war. Wie im Oktober 1922. Nach einem Streit mit dem Vorstand packte er nach nur einem Monat bei Sparta Prag seine Koffer und kehrte zu MTK Budapest zurück.
Überall, wo er kickte, stieg er rasch zum Publikumsliebling auf. Selbst beim ruhmreichen 1. FC Nürnberg, obwohl dort so bekannte deutsche Nationalspieler wie Mittelläufer Dr. Hans Kalb (15 Länderspiele) oder Torwart Heinrich Stuhlfauth (21 Länderspiele) in der Mannschaft standen. Er verzauberte die deutschen Zuschauer so sehr, dass sie ihn ehrfurchtsvoll "Fußballkönig" nannten. Mit ein Grund dafür: Schaffer gelang es eindrucksvoll, das Spiel der Mannschaft zu verbessern, obwohl der Club schon damals zu den besten deutschen Teams gehörte. Er verfeinerte es, so dass die FC-Spieler immer besser mit dem geringsten Kraftaufwand vor das gegnerische Tor kamen. Und was wichtig war: Er stellte sich ganz in den Dienst der Mannschaft. Stuhlfauth, der 1966 starb, charakterisierte ihn einmal wie folgt: "Spezi war kein Karrierist. Er wollte nicht immer selbst alle Tore schießen, sondern half seinen Kameraden, dass sie es ebenfalls taten." Aber wenn er abzog, war gegen seine knallharten Schüsse meist kein Kraut gewachsen. So erzählte Torwart Stuhlfauth mal: "Es war bei einem Spiel gegen Fürth. Der Ball schlug so rasch im Tor ein, dass der Schiedsrichter ihn gar nicht sah. Er erkannte den Treffer aber an, weil Schaffers Schuss das Netz durchlöchert hatte. Einen besseren Beweis für die Gültigkeit des Treffers konnte es gar nicht geben." Unnachahmlich war auch Schaffers Eleganz und sein sprichwörtlicher Torriecher. Schlussmann Stuhlfauth gab ein treffendes Beispiel dafür: "Wir spielten mit Nürnberg gegen Offenbach. Vorher hatte es sehr viel geregnet. Auf dem Platz bildeten sich Pfützen. Bei einem Zweikampf vor dem gegnerischen Gehäuse blieb der Ball im Wasser stecken. Die Offenbacher wollten die Lederkugel natürlich so schnell wie möglich von ihrem Kasten wegbringen, was ihnen schließlich auch gelang. Doch statt sich wie einige seiner Mitspieler ins Getümmel zu stürzen und um den Ball zu kämpfen, stand Schaffer abseits. Als der Ball aus dem Wasser geschlagen war, schnappte er ihn sich blitzschnell und knallte ihn ins Tor." In jenem Jahr 1921 gewann Nürnberg den zweiten von insgesamt neun deutschen Meistertiteln. Allerdings ohne Schaffer. Der war schon wieder weitergezogen zu Wacker München. Es ging mal wieder ums liebe Geld. Der Nürnberger Vorstand hatte seine Forderungen nicht entsprechend erfüllt.
Beliebt war Spezi nicht nur bei den Mitspielern. Auch seine Gegner achteten ihn. Wie Viktor Hierländer. Er erzählte: "Ich habe Schaffer schon bewundert, als er noch bei MTK Budapest spielte. Mich schmerzt heute noch der Knöchel, wenn ich an ein Duell mit ihm denke. Damals spielte ich bei Fürth, Schaffer bei Wacker München. Im Kampf um die Süddeutsche Meisterschaft trafen wir im dritten Spiel in Augsburg aufeinander, und da bekam ich von Schaffer einen Schlag auf den Knöchel. Es war eine Absplitterung. Wir verloren mit 2:3." Trotzdem hatte Hierländer nur Lobesworte für seinen Widersacher von einst übrig: "Er war ein großer Stratege, hatte eine wunderbare Ballbehandlung und mit dem linken Fuß einen Riesenschuss. Der Spezi war ein Herr auf dem Spielfeld, eine Persönlichkeit."
Die Leistungen von Spezi Schaffer sind um so bewundernswerter, weil er ein Schwergewicht war. Der Angreifer brachte in seinen besten Zeiten beachtliche 95 (!) Kilo auf die Waage. Deshalb war er auch ein entschiedener Feind schneller Bewegungen. Oder anders ausgedrückt: Spezi war kein Freund der Raserei. Tempo spielte sich bei ihm woanders ab - im Hirn. Keiner dachte so schnell wie er. Und trotzdem oder gerade deswegen hatte alles, was er machte, Hand und Fuß: Technik, Schusskraft, Übersicht und auch die Schnelligkeit im Erfassen der Situationen. Sein Übergewicht schmälerte also seine sportlichen Leistungen keinesfalls.
So beliebt, geachtet und gefürchtet er auf dem Spielfeld war, so ein tragisches Ende fand Alfred Schaffer. Sein jäher Tod wirft viele Fragen auf, die Antworten kennt nur allein der Wind. Am 30. August 1945 fand man auf dem Bahnhof von Prien am Chiemsee (75 Kilometer von München entfernt, wo Schaffer den FC Bayern trainierte) in einem Zug einen Leichnam. Der Tod war vor ein paar Stunden eingetreten. Niemand kannte den Toten. Schließlich wurde er von einem Fußballanhänger identifiziert: Es war der große Alfred Schaffer. Warum er gestorben ist, woran, weshalb - es blieb bis auf den heutigen Tag ein großes Rätsel. Dazu trug auch bei, dass in den hektischen Tagen kurz nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges keine Obduktion vorgenommen wurde. Deshalb gibt es nur die Vermutung, dass er an einem Herzversagen gestorben ist. Begraben wurde er dort, wo er gefunden wurde - in Prien. Nach einem rasanten Leben hatte er seine letzte Ruhe gefunden.
Was Alfred Schaffer für den Fußball bedeutet, verdeutlichen folgende Zeilen aus dem von Hans-Jürgen Jendral im Franz-Schneider Verlag (München/Wien) herausgegebenen "SportLexikon Fußball": "Er war einer der berühmtesten Fußballspieler zwischen 1918 und 1930. Mit dem Ball konnte er wie ein Zauberer umgehen, er balancierte ihn so, wie einst der berühmte Jongleur Rastelli die kleinen Bälle mit den Händen. Schaffer war schon Berufsspieler, als man in Deutschland diesen Beruf noch gar nicht kannte. Er verpflichtete sich bei vielen Vereinen als Spielertrainer und lebte vom Fußball. Er zeigte seine Kunst in fast allen Großstädten Europas. In Deutschland nannten ihn die Fans nur Spezi. Zu seinem Grab wandern heute noch viele Leute, die ihn einst auf dem Fußballplatz bewunderten und ihm dem Beinamen Fußballkönig gaben." Während seiner ganzen Laufbahn überschlug sich die Presse in den höchsten Tönen über ihn. So bezeichneten die Wiener Zeitungen sein Können als "Fußball-Extraklasse in Potenz" und ihn als "wandelndes Gestirn am europäischen Fußballhimmel." Sie schrieben weiter: "Er war ein etwas behäbiger Herr, der keinen Schritt zuviel machte, aber sich durch und durch als Klassemann entpuppte." Oftmals berichtete die Presse sogar täglich über ihn, was in der damaligen Zeit überhaupt nicht üblich war. Und der frühere österreichische Bundeskanzler Bruno Kreisky schrieb einmal voller Anerkennung über den wohl schillerndsten Star der goldenen zwanziger Jahre: "Ich kann heute noch, wenn ich mich richtig konzentriere, verschiedene Mannschaften der Wiener Amateure zusammenstellen. Vom rothaarigen Jokl bis zum baumlangen Teddy Lohrmann, der auch der Schwimmsektion der Austria angehörte. Vom Verteidiger Popovic, der unüberwindbar schien, bis zum genialen Alfred Schaffer. Ich weiß, viele halten Sindelar für den Inbegriff des klassischen Fußballers. Sie haben sicher Recht. Für mich aber war Schaffer ein Vorbild. Wie er den Ball bei sich behielt, so lange, bis irgendeiner gut platziert war und ihn dann abgab, damit der andere erfolgreich sein konnte, da habe ich viel Lebensweisheit mitbekommen. Man muss es gar nicht immer selbst sein, man sollte so gut sein, dass man den Erfolg eines anderen vorbereitet." Alfred Schaffer ist zwar schon lange tot, doch in der Erinnerung vieler Fans wird er weiterleben - als der wohl beste europäische Fußballer seiner Zeit.
1945 erlitt Schaffer eine Blinddarmentzündung, wurde operiert und starb danach an einer Embolie. Nach seinem Tod fand er seine letzte Ruhestätte auf dem idyllischen Friedhof von Prien am Chiemsee (Bayern).
Literatur: Tarzan, Puskás, Hansi Müller - Stelldichein Donauschwäbischer Spitzensportler
Autor Helmut Heiman, Oswald Hartmann Verlag, Sersheim 2001, ISBN 3-925921-49-4